Architektur Forum Ostschweiz

Architektur ist mehr als Rendite

Guter Wohnungsbau ist nicht nur Teil eines Portfolios: Er prägt und verändert unseren Lebensraum.

Beitrag vom 22. Februar 2020

Text: Susanna Koeberle

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Das Wort Investor ist in der Architekturszene tendenziell negativ besetzt. Häuser heissen bei Investoren Immobilien oder Anlageobjekte. Gemäss dieser Logik hat nicht die architektonische Qualität Priorität, sondern die Rendite. Dass diese stimmen muss, ist nachvollziehbar, allerdings stellt sich zugleich auch die Frage nach dem Wert von Architektur jenseits von Rendite. Dieses Thema ist insofern gerade heute aktuell, als dass aufgrund der Negativzinsen das Investieren in Immobilien für viele institutionelle Anleger besonders attraktiv geworden ist. Versicherungen legen heute bis zu einem Viertel ihres Vermögens in Immobilien an. Dazu gehören auch Neubauten.

Dass man diesen Bauwerken nicht zwingend das Renditedenken ansehen muss, ist nicht nur wünschenswert, sondern auch machbar. Architektur ist primär für den Menschen und sollte nicht bloss als Anlagekategorie abgehandelt werden. Ein Dach über dem Kopf zu haben, gehört zu den Grundbedürfnissen der menschlichen Spezies; gerade deswegen ist guter Wohnungsbau eine wichtige Aufgabe.

Baukultur ist keine leere Worthülse, sondern ein gesellschaftliches Bedürfnis, dem Investoren und Planer Rechnung tragen sollten, wenn sie bauen. Allerdings verleiten gerade Immobilienfonds als Anlagestrategie dazu, Verantwortung abzugeben, statt zu übernehmen. Da sind Häuser plötzlich einfach nur Teil eines Portfolios und keine physischen Objekte mehr. Das Auslagern der Thematik ist eine problematische Entwicklung. Es gilt aber auch die Architekten in die Verantwortung zu nehmen. Zwar beklagen Baukünstler gerne, dass Investorenarchitektur die Architektur verändert habe, dagegen anzutreten ist aber schwierig. Architektinnen und Architekten fehlt es an einer politischen Lobby.

Baukulturelle Prozesse zu steuern und zu begleiten, ist eine energieraubende Angelegenheit, davon können Verbände wie etwa der Bund Schweizer Architekten (BSA), der Bund Schweizer Landschaftsarchitekten (BSLA) oder der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) ein Lied singen. Doch die Lage ist nicht hoffnungslos, es gibt durchaus Strategien, einer gesichtslosen Effizienzarchitektur entgegenzuwirken. Diese führen auf allen Ebenen zu einem Gewinn – bezüglich architektonischer Qualität wie auch anlagestrategisch.

Mit freiwilligen Wettbewerben Gegensteuer geben

Wie sehen mögliche Strategien aus und wie steht es um die konkrete Umsetzung solcher Absichten? Ein probates Mittel, um gute Architektur zu fördern, sind professionell jurierte Wettbewerbe. Bei öffentlichen Bauten zwingend, gibt es bereits einzelne institutionelle Investoren, die bei ihren Bauvorhaben freiwillig Wettbewerbe ausschreiben. Diese Massnahme garantiert eine professionelle Begutachtung, bei der nicht bloss nackte Zahlen im Vordergrund stehen, sondern konkrete Bauten. Das ist für das Niveau des Resultats entscheidend und steigert in der Regel auch die Werthaltigkeit einer Immobilie. Ästhetisch ansprechender Wohnraum lässt sich besser vermieten als öde Mietskasernen. Wobei es festzuhalten gilt, dass schön nicht gleichbedeutend mit teuer sein muss.

Während Wettbewerbe den Nachteil haben, dass sie etwas länger dauern, kann architektonische Qualität auch durch interne Fachleute gewährleistet werden. Immer mehr werden Architekten auch von Pensionskassen angeworben. Fachliche Kompetenz im eigenen Haus zu haben, ermöglicht das frühe Einbeziehen einer architektonischen Sicht auf das Anlageobjekt. Beim Bauen geht es um mehr als nur um Kapital oder zumindest darum, dieses in Materie zu übersetzen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn auch für Architekten ist jedes Bauwerk eigentlich ein Prototyp.

Wie gehen Architekten mit dem Thema Kostendruck und Effizienz um? Ein Blick auf ein Projekt von Egli Rohr Parner Architekten am Stadtrand von Schaffhausen zeigt mögliche Handlungsfelder. Vom Versicherer AXA Leben AG direkt nach einer Expertise bezüglich eines schwierigen Baulands angefragt, kam schliesslich ein direkter Bauauftrag zu Stande. Die Aufwertung des Ortes an sich war von Anfang an ein Thema; aufgrund von heruntergekommenen Bauten aus den 1960er-Jahren hatte das Hauental keinen guten Ruf. Für die Architekten war damit ein wichtiges Argument zu einer qualitätvollen Umsetzung des Bauvorhabens gegeben.

In zwei Etappen realisierte das Büro zuerst 17 Einfamilienhäuser sowie anschliessend fünf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 74 Wohnungen. Die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Bauherrin war durch gegenseitiges Vertrauen und offene Kommunikation geprägt. Die AXA hat intern eine eigene Bauabteilung. Bei den Einfamilienhäusern strahlt die Fassade aus Naturschiefer Wertigkeit aus und ist zudem auch technisch gesehen eine optimale Lösung, da die Holzbauten eine nicht brennbare Oberfläche brauchten.

Mehrkosten mit origineller Idee wettgemacht

Die Mehrkosten bei den teureren Mietobjekten machten die Architekten mit einer originellen Idee bei den günstigeren Wohnungen wett. Dort setzten sie eine vorgefertigte, kostengünstige Lochblechfassade ein. Hinter dem schwarzen Metallkleid schimmert eine rote Folie durch, welche je nach Lichteinfall das Aussehen der organisch geformten Häuser verändert. Die Loggien mit den roten Vorhängen schaffen willkommene Aussenräume und treten mit der umgebenden Natur auch farblich in einen schönen Dialog. Die Brüstungen bei den Loggien haben eine doppelte Lochblechlage. Das äussere rot gefärbte Blech schafft von aussen eine optische Kontinuität, innen ist das Metall jeweils silbern hell.

Während der Innenausbau der Wohnungen eher den Standards entspricht, sind die unterschiedliche Gestaltung der beiden Siedlungsteile, die sorgfältige Materialisierung sowie die Einbettung in den Ort wichtige Elemente, die auch die von Familien bewohnte Anlage zu einem freundlichen und lebenswerten Wohnort machen. Auch bezüglich der Energieeffizienz konnten die Architekten mit dem Einbau einer Pelletheizung eine anfangs etwas teurere, doch langfristig gesehen nachhaltigere Lösung umsetzen. Nachhaltigkeit ist ein Begriff, den man auch auf die Bauqualität ausweiten sollte.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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