Architektur Forum Ostschweiz

Der Kreis von Leben und Tod

Keller Hubacher Architekten schaffen mit ihren Eingriffen im Friedhof Feldli in St.Gallen eine wohltuende Einheit.

Beitrag vom 13. Juni 2020

Text: Susanna Koeberle

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Zum Leben gehört der Tod: An Allgemeingültigkeit dürfte diese Aussage nicht zu übertreffen sein. Dass wir sterben müssen, verbindet alle Menschen auf dieser Erde. Zugleich gibt es wohl kaum ein Thema, das Kulturen stärker voneinander trennt als der Umgang mit dem Tod. Dies betrifft sowohl die dazu gehörenden Bräuche wie auch die entsprechenden Anlagen, die für kultische Handlungen nach dem Ableben üblich sind. In unserer multikulturellen Gesellschaft ist es deswegen besonders anspruchsvoll, Orte zu gestalten, die der Vielschichtigkeit heutiger Realitäten gerecht werden. Allein innerhalb der christlichen Kultur ist Wandel im Umgang mit dem Tod eine Konstante. Dieser Umstand widerspiegelt sich auch in der Anlage des Friedhofs Feldli in St. Gallen.

Balance zwischen Erhaltung und Erneuerung

Das Architekturbüro Keller Hubacher aus Herisau gewann den dafür ausgeschriebenen Wettbewerb und wurde von der Stadt St. Gallen mit der Aufgabe betraut, diverse Friedhofsbauten den heutigen Anforderungen und Bedürfnissen anzupassen. Der Auftrag erwies sich in verschiedener Hinsicht als komplex. Zum einen ging es darum, einen adäquaten Umgang mit der Heterogenität des Bestands zu finden. Die Anlage glich einem Flickwerk unterschiedlicher Stile. Ziel war es, diese unterschiedlichen Sprachen in eine Einheit zu überführen, ohne die Mehrstimmigkeit zu übertönen. Eine weitere Schwierigkeit bestand in den unterschiedlichen Bauaufgaben und den daraus resultierenden technischen Problemen. Bei der Analyse des Bestands erwies sich eine Schadstoffsanierung als notwendig. Der Rückbau hatte eine Verzögerung des Baubeginns zur Folge, der Prozess dauerte insgesamt zwei Jahre. Im August 2019 konnte der Umbau fertig gestellt werden.

Mit einem limitierten Budget gelang es Keller Hubacher, den Spagat zwischen der weitgehenden Erhaltung der Substanz und einem eigenständigen gestalterischen Ausdruck zu meistern. Das alte Ofenhaus wurde zu einem konfessionell neutralen Abschiedsraum umgestaltet. Durch den Abbruch der jüngeren Ofenanlagen konnte zudem die Kapelle freigestellt werden. Dieser Eingriff schuf einen neuen Aussenraum zwischen den Bauten, auf dem sich Trauernde versammeln können. Die vorgelegten Säulenreihen mit dem Betonvordach bieten Schutz und kreieren eine Brücke zwischen klassizistischer und zeitgenössischer Architektur. Die Materialisierung in Beton, die sich als Sturz bis über die bestehende Fassade zieht, markiert einen dezenten Bruch, den die Architekten auch für eine subtile ornamentale Intervention nutzen. Die horizontale Schalung der neuen Wandabschnitte beim ehemaligen Ofenhaus ziert ein eingelegtes Keilmuster.

Diese archaische anmutende Form wird im Innern erweitert und an der betonierten Decke und beim Fries zu neuen unregelmässigen Ornamenten gefügt. Dabei stand die Frage im Zentrum, wie man eine sakrale Atmosphäre schafft, ohne Symbole zu verwenden. Der Raum wird von verschiedenen Glaubensgemeinschaften genutzt und sollte deswegen auch personalisierbar sein. Der Abschiedsraum weist eine beachtliche Höhe auf, mehrere mit sandgestrahltem Muster versehene Fenster betonen die sakrale Lichtstimmung und dienen der unkomplizierten Lüftung des Raums. Ein mittlerer Betonbalken war aus statischen Gründen notwendig. Parallel dazu verlaufen mehrere Tieftonabsorber in gleicher Dimension wie der Zugbalken.

Umnutzung mit einfachen Mitteln

Aufgelockert wird die rhythmisierende Struktur durch längliche Leuchter. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Architekten mit wenigen Mitteln etwas Besonderes schufen. Der Entwurf besteht nämlich lediglich aus sechs miteinander verbundenen Standard-Balkenleuchtkörpern. Der Boden ist mit geschliffenen Zementplatten belegt, ergänzend ergeben Quadrate aus zwei verschiedenfarbigen Natursteinen ein strukturierendes Muster. Eine Orientierung schafft der vordere Wandschild aus dunkelgrünem Naturstein, er kann auch genutzt werden, um Blumen oder Gegenstände festzumachen. Die Verbindung zwischen Aussen- und Innenraum geschieht durch die Verwendung eines einheitlichen Kellenzugputzes in einem hellen Ockerton. Der funktionale Raum strahlt eine gewisse Feierlichkeit und Wertigkeit aus, ohne sich unnötig in den Vordergrund zu stellen.

Im gegenüberliegenden Bau wurden unter anderem die Aufbahrungsräume im Untergeschoss aufgehoben. Ebenerdig entstanden vier neue, gekühlte Aufbahrungsräume, die ein würdevolles Abschiednehmen von den Verstorbenen ermöglichen. Auch hier erzeugten die Architekten mit einfachen Eingriffen Räume, die funktional und freundlich zugleich sind. So sind die Wände bis auf halber Höhe mit einer Strukturtapete versehen. Neu ist auch ein schlichtes Büro für den Friedhofsgärtner beim vorderen Zugang der Kapelle. Die baulichen Massnahmen wirken selbstverständlich und vereinfachen zugleich die Abläufe.

Das Erhalten der äusseren Gestalt der Bauten macht deutlich, dass Keller Hubacher in erster Linie an einer Balance zwischen Vereinheitlichung und Ablesbarkeit des Bestands interessiert waren. Diese Haltung zeigt sich auch im Aussenraum, wo die Architekten in Zusammenarbeit mit dem Büro für Landschaftsarchitektur Kollektiv Nordost das Rasenfeld bei den Urnenhallen frei räumten. Ein Friedhof ist schliesslich ein öffentlicher Raum, den auch Nichttrauernde nutzen. So schliesst sich der Kreis von Leben und Tod auch auf gestalterischer Ebene.Bilder

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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