Architektur Forum Ostschweiz

Ein Bienenhaus ganz aus Beton

«Das Trösch» ist ein Treffpunkt für Menschen aller Generationen und Kulturen. Dank eines Studienauftrags wurde ein Mehrwert für das Begegnungszentrum im Zentrum von Kreuzlingen geschaffen.

Beitrag vom 25. November 2017

Text: Tina Mott

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«Die Menschen merken einfach, dass sie hier willkommen sind.» Monika und Christof Roell sitzen an einem der Holztische in der sonnigen Cafeteria des Begegnungszentrums «Das Trösch» und nicken einer Gruppe tamilischer Mütter zu. Der helle und offene Raum hat sich mit lebhaft plaudernden und lachenden Besuchern gefüllt, an diesem Ort scheint es wenig Berührungsängste zu geben. «Wir sind sehr glücklich darüber, wie gut das Haus in der Stadt angenommen wird. Im ersten halben Jahr fanden bereits 300 Veranstaltungen statt. Ich glaube, das liegt nicht zuletzt daran, dass das Gebäude so freundlich und einladend geworden ist», erzählt der Gastgeber.
Im Sommer 2013 kauften die Geschwister ein Grundstück mit bestehender Liegenschaft an der Hauptstrasse von Kreuzlingen. Hier wollten sie einen Ort schaffen, welcher der Begegnung und dem Austausch der Menschen aus der Region dient – ein Treffpunkt für alle Generationen und Kulturen im Zentrum der Stadt. Das Gebäude sollte für verschiedene Nutzergruppen eingerichtet werden, nur eine gewerbliche Verwendung wurde ausgeschlossen. «Wir konzipierten Räume für Vereine, Beratungsstellen und soziale Organisationen, für anlassbezogene Veranstaltungen wie auch für die Öffentlichkeit. Eigentlich war unsere Idee, «ein Bienenhaus zu bauen», schmunzelt Monika Roell.

Lösung über einen Studienauftrag entwickeln

Nach eingehender Beratung mit dem lokalen Architekten Andreas Imhof trafen sie die Entscheidung, das Projekt mittels eines Studienauftrags zu entwickeln. Diese Beschaffungsform von Planerleistungen ist darauf ausgerichtet, die qualitativ beste Lösung für eine architektonische Aufgabenstellung zu finden, und nicht die vordergründig günstigste. Wenn in Betracht gezogen wird, dass über die gesamte Nutzungsdauer eines Gebäudes die Planungskosten im Vergleich zu den Folgekosten gering sind, lohnt sich dieser Mehraufwand an Zeit und finanziellen Mitteln in der Ausschreibungsphase auch wirtschaftlich. Denn die sorgfältig abgewogenen Entscheidungen einer unabhängigen Expertenjury berücksichtigen nicht nur die Gestaltung, sondern auch die Erstellungs-, Unterhalts- und Rückbaukosten. Im Gegensatz zu einem anonym durchgeführten Projektwettbewerb eignet sich das Verfahren für Prozesse, bei denen der Dialog zwischen den Beteiligten notwendig ist oder erst noch die Rahmenbedingungen festgelegt werden müssen. In diesem Fall galt es, die zentrale Frage zu beurteilen, ob der Bestand ersetzt werden konnte.
Die Vertreter der Denkmalpflege zeigten sich skeptisch gegenüber der Idee eines Neubaus, waren aber damit einverstanden, die Situation durch den Studienauftrag klären zu lassen.

Das Raumprogramm prozesshaft entwickeln

Andreas Imhof wurde mit der Vorbereitung und Begleitung des Verfahrens betraut. Er prüfte die Bebaubarkeit des Grundstücks und traf Abklärungen mit den Besitzern der Nachbarparzellen sowie Vertretern der Stadt. Die Erkenntnisse fasste er in einem Bericht an die Bauherrschaft zusammen, der als Grundlage für das Wettbewerbsprogramm diente. Dieses wurde nach der Zusammenstellung der Jury nochmals intensiv diskutiert und entsprechend angepasst. Schliesslich folgte die Einladung von fünf renommierten Schweizer Architekturbüros, am Studienauftrag teilzunehmen.
«Für uns war es sehr wichtig, einen Architekten zu finden, der sich mit der Idee und dem Konzept auseinandersetzte. Er musste auch mit der Situation umgehen, dass wir in dieser Phase die Nutzung noch nicht im Detail definieren konnten. Uns war bewusst, dass die Entwicklung dieses Gebäudes ein Prozess
werden würde, insbesondere die Festlegung des Raumprogramms,» reflektiert Christof Roell. Bereits bei der Zwischenbesprechung zeigte sich die erwartete Vielfalt an qualitätsvollen Projekten, die von der Jury dementsprechend kontrovers diskutiert wurden. Nach der Schlusspräsentation fällten die Experten jedoch eine einstimmige Entscheidung für den Entwurf des Ostschweizer Architekten Beat Consoni, der mit einem sensibel gesetzten Baukörper aus hellem Sichtbeton überzeugen konnte. Das Projekt entfaltete sich aus verschiedenen Massstäben, sowohl aus dem städtebaulichen und historischen Kontext wie auch aus dem gemeinsam festgelegten Raumprogramm. Um die Durchlässigkeit im Stadtzentrum zu fördern, wurde ein Durchgang zwischen der Hauptstrasse und der Sonnenstrasse auf dem privaten Grundstück geschaffen. Von hier erschliesst sich das Gebäude und öffnet sich zu einem lichten Foyer, das die Cafeteria mit dem grossen Saal verbindet. Eine gut ausgestattete Küche kann beide Räume unabhängig voneinander bedienen und wird bei Veranstaltungen genutzt. Die zweiläufige Treppe im Kern des Hauses führt nicht nur zu den Vereinsräumen, Büros und zwei kleinen Wohnungen in den Obergeschossen, sondern erschliesst auch eine grosszügige öffentlich zugängliche Dachterrasse, die der Architekt als stadträumliche Erweiterung versteht. Im Schnitt prägt eine schlanke vertikale Öffnung das Gebäude, die Licht in das Innere leitet und Sichtverbindungen schafft. Sie macht den Baukörper trotz seiner verschiedenartigen Räume als Ganzes erlebbar. Das statische Konzept ist auf eine flexible Nutzung ausgelegt.
Die statische Stabilität wird hauptsächlich durch die Aussenwände und den Treppenkern gewährleistet, wodurch eine grosse Variabilität der Raumaufteilung gewährleistet werden kann. «Die grosse Herausforderung bestand darin, ein programmatisch neues Thema städtebaulich zu integrieren und zu einer architektonischen Gesamtform zu entwickeln. Unsere Zusammenarbeit war ein Experiment, ein Herantasten von beiden Seiten», beschreibt Beat Consoni den gemeinsamen Weg mit den Bauherren.

Das richtige Haus für diesen Ort

«Wir hatten den Wunsch, städtebaulich, funktional und gestalterisch das richtige Haus für diesen Ort zu bauen», erklärt Monika Roell abschliessend. «Ein Gebäude, das seinen eigenen Charakter hat und sich trotzdem anpasst, eine Ergänzung ist und vielleicht sogar ein Wegweiser dafür, was in Zukunft an der Hauptstrasse gebaut werden wird. Denn wir möchten hier Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen anlocken – und das ist nicht so einfach.»

Bildnachweis

Barbara Schwager/Lichtschein

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