Architektur Forum Ostschweiz

Eine eigene Architektursprache

Die Anlage der Pädagogischen Hochschule Thurgau in Kreuzlingen spricht die Sprache ihres Erbauers: Beat Consoni.

Beitrag vom 12. Juni 2021

Text: Jenny Keller

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Es sind unbeschriebene Blätter, die von den Nutzerinnen und Nutzern gefüllt werden. Gefässe, die sich unterordnen, aber dennoch klare Strukturen aufweisen: Die Pädagogische Hochschule Thurgau (PHTG) besteht aus einem Gefüge von drei kubischen Betonbauten. Die Anlage wirkt wie aus einem Guss, obwohl sie in Etappen entstand; sie tragen Beat Consonis unverwechselbare Handschrift. Der Architekt schuf hier ein Kontinuum, das den Aussenraum als wichtigen Teil der Anlage miteinbezieht: «Die Freiflächen sind mir wichtig und haben mich mit einem Nachdiplomstudium in Raumplanung schon immer interessiert.» Das Ensemble ist Teil des Bildungscampus in Kreuzlingen mit Primarschule, Kantonsschule und Sekundarschule.

Die erste Etappe markierte auch den Neubau für eine Schule im Aufbau.

Zwar bildet die pädagogische Maturitätsschule – früher das Lehrerseminar – von Esther und Rudolf Guyer (1969–1972) im Süd-Osten des Areals den historischen Auftakt. Doch Consoni hat beim ersten Wettbewerb 2003 entgegen dem Auftrag keine Verbindung zu den Guyer-Bauten entworfen, was für Klarheit und Stringenz der Anlage sorgt und den neuen Bauten der PHTG zu eigenem Ausdruck und eigenständiger Haltung verhilft. Die offene Grundrissgestaltung aller Gebäude verleiht der Hochschule Offenheit mit Werkstattcharakter und macht sie flexibel nutzbar.

Zuerst standen die Gebäude M und P der Pädagogischen Hochschule, fertiggestellt wurde die erste Etappe 2008. Die neuste Ergänzung, das Gebäude Z, steht im rechten Winkel zu den anderen Bauten, parallel zur Schulstrasse in Kreuzlingen. 2020 wurde der Bau pandemiebedingt still eröffnet und erst halbwegs in Betrieb genommen. Consoni gewann den Wettbewerb dafür 2015 und setzte sich in der Präqualifikation mit 34 Teilnehmern und schliesslich gegen 14 Konkurrenten durch.

In der gleichen Sprache weiterbauen

Ein grosser Freiraum mit Spielwiese vor der Klosteranlage bildet nun den eigentlichen Mittelpunkt der gesamten Anlage, wobei das neue mit zwei Geschossen die gleiche Höhe wie das Gebäude aufweist – mit rund 80 Metern dafür länger ist. Das Raumprogramm, Büros des Rektorats, Medien- und Informatikräume, Hauswirtschaft, und Räume für den Unterricht im bildnerischen Gestalten zusammen mit der benachbarten pädagogischen Maturitätsschule finden im dreibündig organisierten Bau Platz. Im Erdgeschoss zur Strasse blitzt der Chromstahl der bisher unbenutzten Schulküche wie in einem Showroom eines Küchenherstellers. Leicht aus der Mitte geschoben liegt ein die Breite durchstossendes Foyer mit Oblicht und offener Treppenanlage. Galerieartig entwickelt sich daraus das obere Geschoss. Ein Geländeschnitt schält den Kubus aus dem Hang, sodass auch die hinteren Büros nicht im Dunkeln zu liegen kommen und über raumhohe Fenster verfügen.

Am nördlichen Ende des Dachs markieren acht Shed-Oblichter die kreative Tätigkeit im Innern der Zeichnungssäle, die so mit reinem Zenitallicht beleuchtet werden. Gleichzeitig beziehen sich die Aufbauten räumlich auf das vorgelagerte Gebäude M und definieren den Platz zwischen den zwei Bauten. Dass zwölf Jahre zwischen den drei Gebäuden liegen, fällt kaum auf. Sie reden die gleiche architektonische Sprache: Rechte Winkel, einfache Formen, klare Öffnungen, Sichtbeton im Innern und Äusseren und eine abgebildete Statik und Konstruktion. Das Skelett im neusten Gebäude in Kreuzlingen ist sichtbar, ausfachende Wände ohne statische Aufgabe sind dagegen in Gips, weiss gestrichen oder aus Glas. «Die Statik ist immer ein wesentlicher Bestandteil für mich», sagt Consoni, dessen Architekturverständnis auf der Moderne basiert. «Ich schaffe differenzierte Raumerlebnisse in einfacher Kubatur.» Dafür sorgen Schrägsichten und eine gezielte Lichtführung.

Die Innenräume sind zurückhaltend, ja fast karg gestaltet und können unterschiedliche Interventionen der Nutzerinnen und Nutzer aufnehmen, so zum Beispiel die bunten kreativen Arbeiten der Studierenden und Schülerinnen und Schüler. Die Skelettbauten ermöglichen Flexibilität im Betrieb und im Bau. Die Topografie ist im Entwurf eingeschrieben und die Landschaft wird wie die Innenräume belassen wie sie sind, Schlüsselblümchen und Gänseblumen auf einer grünen Wiese zeugen davon.

Transparenz, Austausch, Sich-Sehen: Das ist der Anspruch

Im neusten Gebäude fand der überdachte Pausenraum der angrenzenden Primarschule wieder Platz. Der Ort wirkt beinahe sakral, er erinnert an Le Corbusiers Kirche in Ronchamp. Ganz geerdet sind die Ansprüche, die der Architekt an seine Räume stellt. Die Transparenz, der Austausch, die Wahrnehmung und das Sich-Sehen stehen im Zentrum seiner Bildungsbauten, die von den Studierenden angenommen werden sollen, damit sie sich wohlfühlen und sich informell begegnen können.

Beat Consonis Bauten sind meist aus Sichtbeton. Die Betonfassaden geben der Volumenkomposition in Kreuzlingen Struktur und einen ästhetischen Hintergrund. Der Neubau ist mit schmalen, rohen Holzbrettern geschalt und erhält dadurch eine lebhafte Textur, die beiden Vorgängerbauten sind mit Schaltafeln betoniert und weisen grössere Flächen auf, die die Fassade gliedern. Anders als die Guyer- Bauten mit ihrer durch Eisenoxyd rotbraunen Färbung und poröser Textur, sind die Fassaden bei Consonis Bauten glatt und hellgrau und ergänzen die Fassadenöffnungen in Glas und Aluminium in unterschiedlichen Einbautiefen. Dennoch verbindet sich die brutalistische Vergangenheit der Guyer-Schule mit der funktionalistisch aufgeräumten Gegenwart der neuen Consoni-Bauten. Beim neusten Bau benutzte man Recyclingbeton, und eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach deckt den Strombedarf. Das Gebäude Z erreicht das Minergie-A-Label, eine gut gedämmte Gebäudehülle ist dafür Voraussetzung. So liegt die Fassade anhand weniger Verbindungen auf dem Skelettbau, womit kaum Wärmebrücken, also Orte in der Aussenhülle entstehen, die weniger gut gedämmt sind.

Bauen in Beton sei höchst anspruchsvoll, meint Consoni, der auf eine lange Karriere zurückblickt und verweist auf die gute Zusammenarbeit mit Ingenieur und Baumeister, schliesslich sei Architektur immer ein Gemeinschaftswerk.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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