Vom Schlüssel des guten Bauens
Was sind die Herausforderungen auf der Baustelle? Bauleiter Markus Foi zeigt es anhand des Seniorenzentrums Bongert in Bonaduz
Beitrag vom 31. Oktober 2021
Text: Katharina Marchal
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Ein warmer Herbsttag in Bonaduz: Im Garten des Seniorenzentrums Bongert feiert eine kleine Gruppe den Geburtstag eines Bewohners. Zwischen Apfel- und Zwetschgenbäumen liegen zwei gestaffelte Betonbauten, dessen kubische Formen im intensiven Sonnenlicht besonders gut zur Geltung kommen. «Bongert bedeutet Obstgarten», erklärt Markus Foi. Er war als Bauleiter massgeblich an der Realisierung beteiligt. «Das ist eines der besten Projekte, die ich in meiner Laufbahn umsetzen durfte», schwärmt er. Nach mehr als 40 Jahren Bauerfahrung heisst das etwas.
2011 gewannen Frei & Ehrensperger Architekten aus Zürich den Wettbewerb für die ersten 15 Alterswohnungen, die Spitex Imboden sowie ein öffentliches Restaurant. Vor ein paar Monaten wurde die Erweiterung fertigstellt. Sie umfasst 13 Alterswohnungen und ein Ärztezentrum. Im Aufbau sind die beiden Gebäude identisch. Eine zentrale, dreigeschossige Halle im Zentrum des Baukörpers verbindet die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss und alle Wohnungen. Diese sind im Gegensatz zur steinernen Aussenhaut mit viel Holz ausgestattet. So ist etwa die Küche als Kubus aus Lärchenholz im Wohnraum eingepasst. Analog zur bündnerischen Bautradition sind die Fenster fassadenbündig, als begehbare Erker mit innen liegender Sitzbank ausgebildet oder tief in der Leibung angeschlagen. Die Balkone stülpen sich in den Baukörper und bilden wind- und wettergeschützte Aussenräume. «Jede Wohnung hat einen speziellen Ausblick», meint Foi und schaut auf den Flimserstein. Da fassadenbündige Fenster oft zu Diskussionen bei Bauherren führen, weil sie befürchten, dass sich Kondenswasser bildet, ist im unteren Falz des Fensterrahmens ein Kabel integriert, das sich ganz leicht erwärmt. Auch beim Betonvordach, das den Weg zwischen den Bauten verbindet, suchte er eine pragmatische Lösung. Es liegt nicht auf den Wänden auf, sondern wird von einer Stütze getragen, die einem Schirm gleicht. «Damit es keine Spuren von herabrinnendem Regenwasser gibt, haben wir an den Übergängen zur Fassade Bleche montiert.» Ein Bauleiter müsse oft einen Spagat machen: Gegenüber den Architekten bleibt er loyal, da sie ihn beauftragen, andererseits sollte er zwischen ihnen und dem Bauherren vermitteln. So schlugen Frei & Ehrensberger ein riesiges Bassin mit Wasserpflanzen im Garten des Seniorenzentrums vor, was der Bauherrschaft zu gefährlich erschien. Doch Foi hat die Architekten bei der Kommission unterstützt; daraus entstand die Idee des Pflanzenbeets.
«Diesen Beruf lernt man am Objekt, nicht in der Schule»
Ohne Zweifel «auf der Baustelle bin ich der Chef, nicht der Architekt», betont Foi. Als Bauleiter bespricht er die Aufgaben mit den Handwerkern, überwacht deren Arbeiten und steht so oft als möglich für Fragen zur Verfügung. Durch seine grosse Bauerfahrung kennt er die Probleme und kann die Herausforderungen einschätzen. Als Markus Foi Mitte der 70er-Jahre seine ersten Projekte ausführte, war er als Bauleiter angestellt. Seitdem offene Wettbewerbe international ausgeschrieben sind, können auch Architekturbüros ausserhalb der Region oder des Landes teilnehmen. Deshalb nahm der Bedarf an externen Bauleitern zu. «Diesen Beruf lernt man am Objekt und von erfahrenen Bauleitern, nicht in der Schule.» Seiner Meinung nach nahm die Akademisierung in den Kantonalen Hochbauämtern sehr zu. Obwohl die Digitalisierung geholfen hat, gewisse Arbeitsschritte zu erleichtern, fragt er sich: «Wie erkläre ich einem Polier, der kaum Deutsch spricht, wo er die Betonschalung anzeichnen soll, wenn es keine Pläne mehr in Papierform gibt? Ich kann doch nicht mit so einem riesigen Tablet, auf dem das ‹Building Information Modelling› abgespeichert ist, auf die Baustelle kommen.»
Auffallend zugenommen hat die Menge an Planern. Neben den Spezialisten für Sanitär-, Elektro, Heizungund Lüftung gibt es heute Fachplaner für Brandschutz, Schliessanlagen und Haustüren. Hinzu kommen die Ingenieurbüros, die sich auf die Energie-Labels spezialisiert haben. Am aufwendigsten und teuersten sei Minergie PECO. «Am Schluss bekommt man eine Plakette ans Haus, das die Zertifizierung bezeugt», bemerkt Foi schmunzelnd. Am wichtigsten sei aber doch die erfolgreiche Abwicklung des Bauprozesses. Dafür brauche es vor allem Empathie, Geduld und Zeit, aber auch viel Freude an der Architektur, eben Leidenschaft.
Vom Maurer zum Bauleiter
Markus Foi hat Maurer gelernt, dann eine Lehre als Hochbauzeichner gemacht. 1974 begann er beim Bündner Architekten Andres Liesch als Hilfsbauleiter. «Er war der erste grosse Betonarchitekt in Graubünden», realisierte insgesamt 38 (!) Schulhäuser und wurde bekannt unter anderem durch die Gewerbeschule in Chur oder die Kirche in Passugg. Nach 13 Jahren als Angestellter machte Foi sich selbstständig und führte Projekte unter anderem für Hubert-Bischoff, Andy Senn (Mensa und Mediathek, Kantonsschule Chur, 2010) und Max Kaspar (Kantonsschule Halde, Chur, 2011) aus.
Bildnachweis
Hanspeter Schiess