Architektur Forum Ostschweiz

Wachgeküsst

Das einzigartige Anwesen Steinegerta in Liechten­stein ist seit kurzem für die Öffentlich­keit zu­gänglich. Die Sanierung des Parks zeigt beispiel­haft, wie ein Garten­denkmal aus dem Jahr 1944 an heutige Ansprüche angepasst werden kann, ohne denk­mal­pflegerische Anliegen zu über­gehen und seine Geschichte zu leugnen.

Beitrag vom 29. Juni 2023

Text: Ulrike Hark

  • Bild zum Beitrag Seit 2019 steht das Anwesen mitPark unter Denkmalschutz. Es ist das erste Gartendenkmal im FL. Landschaftsarchitektin Diana Heeb-Fehr und Architektin Denise Ospelt Strehlau haben die Anlage saniert.
  • Bild zum Beitrag Blick von der grossen Freitreppe auf den Springbrunnen der Gartenanlage.
  • Bild zum Beitrag Das Zentrum der Anlage bildet eine dreiteilige Gebäudegruppe, die das Architekturbüro Lippert und Waldkirch im Jahr 1942 gestaltet hat. Stilistisch orientieren sich die Bauten an grossen Landgütern.
  • Bild zum Beitrag Die geschwungenen Wege lassen die Handschrift des Zürcher Landschaftsarchitekten Gustav Ammann erkennen. Ammann war leitender Gartenarchitekt der Landi des Jahres 1939.
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  • Bild zum Beitrag Zu der Anlage gehört auch ein Nutzgarten. Zur Entstehungszeit war er noch nicht mit dem restlichen Grünraum verbunden und wurde vor den Blicken der vornehmen Besucher*innen verborgen.

Das Schloss von Vaduz kennen wohl die allermeisten. Doch ganz in der Nähe, genauer gesagt in Schaan, befindet sich eine bisher noch weniger bekannte Sehenswürdigkeit: Steinegerta. Das aussergewöhnliche Anwesen mit dem herrlichen Park schlummerte jahrelang vor sich hin. Eine Anlage von nationaler Be­deu­tung, wie der Denkmalschutz 2019 befand. Seitdem steht der gesamte Komplex unter Schutz. Es ist das erste Gartendenkmal in Liechtenstein, ein Zeitzeuge der Gartenkultur.

Zum Park, den der Zürcher Landschaftsarchitekt Gustav Ammann (1885–1955) Anfang der 1940er-Jahre im Stil eines englischen Landschafts­gartens gestaltete, gehören auch drei Gebäude: das ehemalige Wohnhaus des Besitzers, das Verwalter­haus und ein Ökono­mie­gebäude. Seit 1981 ist das Anwesen im Besitz der Gemeinde Schaan. Von der einmaligen Umgebung profitierten bislang vor allem die Teilnehmenden der Erwachsenenbildung Steinegerta, welche die Räume für ihre Kurse nutzt. Seit Mitte Juni ist das Bijou nun für die Bevölkerung offen.

Die Landschaftsarchitektin Diana Heeb-Fehr aus dem benachbarten Triesen hat den Park in die Gegenwart transferiert – in Arbeitsgemeinschaft mit der Architektin Denise Ospelt Strehlau aus Schaan, die sich um die baulichen Belange kümmerte. Besucher*innen können prächtige alte Bäume wie Blauzeder, Blutbuche und Kaukasische Flügelnuss bewundern, über die Kastanienallee flanieren oder sich am Springbrunnen unter der imposanten Freitreppe entspannen und die Historie an sich vorüberziehen lassen.

Zwielichtige Vergangenheit

So friedlich der Park heute auch wirkt, er stammt aus einer schrecklichen Zeit: 1944, während des Zweiten Weltkriegs also, legte Gustav Ammann ihn an. Er war damals in der Schweiz ein bewunderter und einfluss­reicher Gartenarchitekt, bekannt für seine Vorliebe für englische Landschaftsgärten. Ammann fungierte als leitender Gartenarchitekt an der vierten Schweizerischen Landesausstellung Landi im Jahr 1939, die sich gegen die Bedrohung durch den Nationalsozialismus richtete. – Was ihn jedoch nicht hinderte, dem deutschen Kriegsprofiteur Rudolf Ruscheweyh in Schaan diesen Park mit exotischen Bäumen und einem grossen Schwimmbad im Freien anzulegen.

Ruscheweyh war Agent des Deutschen Geheimdienstes. Als Generalvertreter der Firma Oerlikon-Bührle & Co vermittelte er ausserdem für Emil Bührle den Verkauf von Waffen an das NS-Regime. Liechtenstein hatte grosses Interesse an der zwielichtigen Figur Ruscheweyh, weil er versprach, im strukturschwachen Fürsten­tum Industrie anzusiedeln. 1948, als er bereits schwer an der Gicht erkrankt war, wurde er mit seiner Familie eingebürgert. Seine Aktivitäten wurden inzwischen von der unabhängige Historikerkommission «Liechten­stein Zweiter Weltkrieg» aufgearbeitet.

«Das halbe Dorf arbeitete damals für das Landgut, denn der Grossteil der Bevölkerung war arm», sagt die Architektin Denise Ospelt Strehlau, die den behutsamen Umbau der drei Gebäude realisierte. Zuletzt wurden im Haupthaus zusätzliche Seminarräume eingerichtet, zuvor war im Ökonomiegebäude ein Bistro integriert worden. Die dreiteilige Gebäudegruppe mit dem repräsentativen gepflasterten Innenhof wurde 1942 durch die Architekten Lippert und Waldkirch aus Zürich nach dem Vorbild grosser Landgüter reicher Adelsfamilien errichtet.

Bei der Instandsetzung des Parks ging es darum, die verschiedenen Zeitschichten freizulegen und neu miteinander zu verweben, denn vieles wurde über die Jahre verändert. 1956 wechselte das Anwesen zum deutschen Bankier Otto Stürken, 2006 machte die Gemeinde Schaan aus dem Schwimmbad eine Freilicht­bühne. Gustav Ammanns Handschrift ist vor allem an den geschwungenen Wegen aus unregel­mässig verlegten Natursteinplatten erkennbar, an den geschichteten Mauern und den Elementen englischer Landschaftsgärten. So öffnen sich stets neue Blickachsen, etwa wenn man von der Allee über die Freitreppe auf die untere Ebene des Parks mit dem Springbrunnen spaziert. Die Dramaturgie des Gartens entwickelt sich im Gehen.

Alte Obstsorten für die Zukunft

Wie wird ein Denkmal fit für die Gegenwart und bleibt dennoch nahe am Original? Und wie restauriert man einen geschützten Park, wenn es kaum Originalpläne gibt? Landschaftsarchitektin Diana Heeb-Fehr hat dafür aufwendig recherchiert: «Ich habe Zeitzeugen befragt, durchforstete Dias, Fotos und Luftbilder und studierte den Gartenplan aus dem Jahr 1944», erklärt sie. Ausserdem sei sie oft und zu verschiedenen Tageszeiten durch den Park spaziert. «So konnte ich die Gartenelemente ihrer Entstehungszeit zuordnen und die Gehölze, die aus dem Originalbestand sind, beurteilen. Überraschend war beispielsweise, dass der Springbrunnen im Innenhof im Jahr 1963 durch die damalige Besitzerfamilie Stürken erbaut worden ist.»

In diesem Rondell hat Heeb-Fehr alte Rosensorten gepflanzt. Auch bei den neuen Stauden, Gehölzen und Sträuchern achtete sie darauf, dass sie bereits vor 1944 im Handel waren, damit sie zur Parkanlage passen. Der Obsthain wurde mit alten Apfel- und Quittensorten sowie einem Birnenspalier ergänzt. Vom frisch sanierten Springbrunnen, der umgeben ist von Skulpturen aus dem Bestand der Staatlichen Kunst­sammlung, gelangt man heute direkt in den Nutzgarten. Zu Ruscheweyhs Zeiten gab es diese Verbindung nicht – der Kartoffelacker sollte den noblen Gästen des Hauses verborgen bleiben.

Liebevoll wurden Details restauriert, zum Beispiel das zwölf Meter lange Geländer aus Schmiedeeisen an der Freitreppe. Eine Bereicherung für die heutige Nutzung sind auch der Umbau der ehemaligen Pferdekoppel zu einem Event-Bereich und die neue Verbindung vom Park in den angrenzenden Wald. Ein Fussweg aus Natursteinplatten führt direkt in die 13'500 Quadratmeter grosse Anlage. Aus dem einstigen «Schlechten Ackerland», wie Steinegerta in der Flurbezeichnung heisst, wurde ein neu gestaltetes Arkadien, dem die Neuerungen zunächst kaum anzumerken sind. Sorgsame Sanierung und neue Nutzung stehen so in Harmonie.

Bildnachweis

Beni Blaser

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