Architektur Forum Ostschweiz

Di 19. Oktober 2021, 20 Uhr

Rams

Architektur im Film

im Kinok

  • Einführung durch Sophie Lovell, Schriftstellerin und Kuratorin, Berlin
Bild zum Beitrag

Das Zuhause von Dieter Rams ist das perfekte Schaufenster für die Langlebigkeit seiner Entwürfe. In seinem selbst entworfenen Bungalow – ein modernes Gebäude mit japanisch angehauchtem Garten – sieht alles noch exakt so aus wie beim Hausbesuch eines amerikanischen Filmteams in den Siebzigerjahren. Alles gehorcht funktionalen Prinzipien, viel Weiß, kein Schnickschnack. Nur dass die aktuellen Bilder aus einem neuen Film stammen: «Rams» von Gary Hutswit.

Der Filmemacher besuchte den legendären Produktdesigner immer wieder in seinem Haus im Taunus, um den 86-Jährigen zu interviewen. In Kronberg prägte Rams als Mitglied des Designteams 40 Jahre lang die Produktgestaltung bei Braun und hier wohnt er bis heute. Natürlich stehen die Braun-Designklassiker im Regal. Der Plattenspieler-Radio SK 4 zum Beispiel.

Der erste Design-Versuch des gelernten Architekten (gemeinsam mit Fritz Eichler, dem Leiter der Designabteilung, und Hans Gugelot) war damals so futuristisch, so anders als die schweren Tonmöbel, die bislang in deutschen Wohnzimmern standen, dass die Konkurrenz erst über den «Schneewittchensarg» spottete – und später versuchte, das aufgeräumte, heute würde man sagen «cleane», Design zu kopieren. Oder das Transistorradio T3, das Jahrzehnte später Apple-Gründer Steve Jobs als Vorbild für den iPod dienen sollte.

Einer der wenigen Farbtupfer im gesamten Haus: Eine knallrote «Valentine», die ikonische Schreibmaschine des italienischen Designers Ettore Sottsass, auf der Rams bis heute seine Ideen niedertippt. Mit Schrift hatte auch Hustwits erster Film zu tun: «Helvetica», eine Hommage an die Schriftart Helvetica, hatte ihm 2007 zu einiger Bekanntheit verholfen. Nach Arbeiten über die menschliche Beziehung zum Produkt («Objectified») und Städtebau («Urbanized») legt er nun eine Art Fanfilm vor.

Für «Rams» begleitete er den Namensgeber des Films auch nach London zu Vits’oe, deren Systemmöbel der Produktdesigner gestalterisch überwacht. Eine Ausstellungseröffnung in Weil am Rhein stand ebenfalls auf dem Drehplan. Vor allem zeigt der Film aber, dass Rams’ Entwürfe immer das Ergebnis von Teamwork waren. Hustwit fängt jeden einzelnen Kollegen ein, der am Gestaltungsprozess beteiligt war – von der Ideenfindung bis zur Fertigung der ersten Prototypen.

Zu viel Schnickschnack!

So klinisch, fast ätherisch Rams’ Produkte auf den ersten Blick wirken, so sehr glaubt er an die Notwendigkeit, Dinge sinnlich erfahren zu können. Die Digitalisierung stimmt Rams erstaunlich pessimistisch: Er kann nicht ganz begreifen, was sich da in den Hirnen verändert, aber dass sich etwas verändert, ist für ihn eindeutig. Seine Erklärung lautet etwa so: Wo die Bilderfluten niemals abreißen, da werden grenzenlose Konsumwünsche verankert, die eine fortwährende Produktion überflüssiger Dinge befeuern.

Kritisch ist auch der Blick auf Kollegen: Die leidenschaftliche Kollegenschelte, die Dieter Rams im Schaudepot des Vitra-Designmuseums vorführt, gehört zu den eindrucksvollsten Szenen: «Das hier», deutet er mit dem Gehstock auf einen Designklassiker, «scheint mir völlig überflüssig.» Zu viel Schnickschnack, Dekor sind für Rams: «Unsinn!» Als er sich wieder beruhigt hat, fügt er hinzu: Man müsse ja auch nicht alles mögen. «Rams» aber, der Mann und der Film, das sind schon tolle Produkte.

Regie: Gary Hustwit, USA 2018, deutsch, 74’
Weitere Vorführung: Mi, 27. Oktober 2021, 18.45 Uhr

Eintritt 16.– / Mitglieder AFO 11.–
Reservation: 071 245 80 72 oder auf Kinok

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