Architektur Forum Ostschweiz

Der diskrete Charme der Einfachheit

Flussbäder sind den Schweizern lieb, man kann mit oder gegen den Strom schwimmen. Besonders gut lässt sich dies beim renovierten Rheinbad Rodenbrunnen bei Diessenhofen tun. Mit viel Gespür wurde ein un­spekta­kuläres Kleinod der Nachkriegszeit auf Vordermann gebracht.

Beitrag vom 19. Juli 2014

Text: Marina Hämmerle

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Der Gang zur Rhybadi führt östlich des mittelalterlich angelegten Stadtkerns über einen Kiesweg hinab zum Flussufer. Roman Giuliani, vom zuständigen Planungsbüro Moos Giuliani Hermann Architekten und Kopf des Bürostandortes Diessenhofen begleitet zum unlängst fertiggestellten Umbau der städtischen Badeanlage. Rodenbrunnen war ursprünglich um 1900 ein Holzkastenbad, welches 1940 abgebrochen wurde. Ein einfacher Holzbau mit Einzelumkleiden, nach Plänen des Diessenhofer Architekten Andreas Bachmann errichtet, startete 1949 seinen Sommerbetrieb.

Kleinstadt wird aufgewertet

Die kleine Infrastruktur für Sonnenhungrige und Schwimmfleissige findet Anklang und wertet den charakteristischen Erholungs- und Freiraum der Kleinstadt am Rhein mit wenigen Massnahmen auf. In den 1990er-Jahren wurde hangseitig eine Küche angebaut und nach vorne um eine überdachte Terrasse erweitert.

Sowohl Küche wie sanitäre Einrichtungen waren in die Jahre gekommen und mussten erneuert werden. Moos Giuliani Hermann Architekten erhielten 2009 den Auftrag zur Sanierung und Erweiterung, etappenweise wurde der Kleinkind-Schwimmbereich und die Adaptierung des Garderobenhauses ausgeführt.

Die Nachkriegsidylle deutschsprachiger Filmproduktionen hängt in der Luft, ihre Musik schwingt atmosphärisch nach wie vor im gepflegten Raum, zwischen gemächlich fliessendem Rhein und steil ansteigendem Terrain hinauf zur Steinerstrasse. Die Nachbars-Badi am gegenüberliegenden alemannischen Ufer lockt mit mehr Brimborium und aktuell Vertrautem. Doch gerade das Konservieren dieser Einfachheit der angehenden 1950er-Jahre machen den Reiz von Rodenbrunnen aus. Bei der Einweihung noch mit Holzverschalung in Natur und dunkelroten Abdeckleisten, wurde die Badi im Zuge früherer Sanierungs­arbeiten mit einem hellbeigen Farbanstrich versehen, die Holzleisten blieben wie gehabt.

Verunstaltet wurde die Ausgangssituation durch spätere Anbauten. Für die anstehende Sanierung wurde das im Raum Zürich und Umgebung erfolgreich agierende, lokale Architekturbüro beigezogen. Das Büro legte eine Gesamtplanung der Anlage vor, Krebs Rotzler und Partner waren mit von der Partie. Die baulichen Massnahmen wurden grösstenteils umgesetzt, die landschaftsplanerischen fielen dem Rotstift zum Opfer und wurden nicht ausgeführt. Roman Giuliani und sein Team, federführend bei der Umsetzung Jacqueline Sauter, bereinigten bei ihrer Planung den Baukörper, führten ihn zurück auf den Ausgangsbestand und verlängerten ihn um annähernd das doppelte Mass. Konstruktion, Farbe und Anschlussdetails wurden beibehalten und ergänzt.

Eine Neueindeckung des Pultdaches mit bekiester Dachpappe fand bei der Stadtverwaltung aus öko­no­mischen Gründen keinen Anklang. So blieb es bei der dunkelbraunen Welleternit-Eindeckung und deren Weiterführung.

Details unterwandern Eindruck

Da zur Badeanlage vom Stadtraum hinuntergegangen wird, liefert die Draufsicht kein unerhebliches Detail; eine dünnere Eindeckung wäre der ursprünglichen Anmutung mit zarter Firstkante weit mehr entgegen gekommen. Ein Umstand, der auch die Architekten schmerzt, zumal bei der Ausführung die Dachneigung bei einer früheren Sanierung künstlich angehoben wurde und die Firstansicht so zusätzlich aufgedoppelt wurde. Die betonierte Hangseite ist mit Holz verschalt, dem Ankommenden wird der Blick auf getrimmten Rasen und lockendem Rheinwasser gerahmt. Die Einladung wirkt, die kleine Geste ist wohldurchdacht.

Das Bistro wurde mit zwei grossen Öffnungen versehen, die Küche ist nun profes­sionali­siert und funktional, der angrenzende Kühlraum tut das seine dazu. Aber auch hier unterwandern Details den guten Gesamt­eindruck.

Der Anlage gerecht werden

Möblierung und Bespielung sind das Um und Auf in der Gastronomie und runden die Architektur ab – oder eben auch nicht. Da braucht es einen Auftraggeber und Betreiber mit Gespür, damit die mit feiner Feder gezogene Handschrift der behutsam sanierten, historischen Anlage entsprechend vollendet wird.

Ähnliches findet sich im Aussenbereich. Das beginnt bei den nicht akkordierten Treppenanlagen beim gesicherten Schwimmbereich bis zur willkürlichen Plazierung von Spielgeräten und Tischtennistischen. Dennoch, die Flusskante und der schwungvoll gefasste Schwimmbereich I–V mit den von Bachmann angelegten Becken unterschiedlicher Wassertiefen helfen den Badenden, sich dem Strömungsbecken gefahrlos anzunähern und sind gut gestaltete Stege und Bordkanten. Sie runden die Gesamtanlage ab, zeigen, wie Bauen am Wasser geht und wie wenig es braucht, um den Moden der Zeit zu trotzen und nach Jahrzehnten noch einladend zu wirken, weil gut geplant und mit der Landschaft versöhnt.

Dieses Verständnis bringen Denkmalamt und Architekten mit, und es ist ihnen gelungen, das Vorhandene sinnvoll und wertschätzend zu erweitern.

Form und Detail verknüpfen

Bei denen, die es in Obhut haben, wünschte man sich mehr an Vertrauen in gestalterische Massnahmen und einen ausgeprägteren Sinn für das Wesentliche. Denn Einfachheit kommt dann gut, wenn Funktion und Material, Form und Detail aufs Beste verknüpft werden. Dann findet sich daran Charme, Klasse und manchmal Bescheidenheit. Das hat seinen Preis, dafür rechnet es sich à la longue, denn eine solche bauliche Liaison hat Bestand und überdauert Generationen.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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